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EuGH zweifelt an Fristen für Kündigungsschutzklagen schwangerer Arbeitnehmerinnen

Erfährt eine gekündigte Arbeitnehmerin erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist für eine Kündigungsschutzklage von ihrer Schwangerschaft, bleiben ihr zwei Wochen, um einen Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage zu stellen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit dieser Frist.

Ausgangsfall: Pflegehelferin klagt gegen Kündigung

Im konkreten Fall klagte eine Pflegehelferin beim Arbeitsgericht (ArbG) Mainz gegen ihre Kündigung. Sie erfuhr einen Monat nach ihrer Kündigung, dass sie schwanger ist. Gemäß § 17 MuSchG (Mutterschutzgesetz) sind Kündigungen während der Schwangerschaft unzulässig. Allerdings war die Drei-Wochen-Frist für eine Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) bereits abgelaufen. Auch die Zwei-Wochen-Frist für den Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage nach § 5 KSchG versäumte sie. Das ArbG hätte die Klage abweisen müssen, hatte aber Zweifel, ob diese Frist mit der EU-Mutterschutzrichtlinie vereinbar ist und legte den Fall dem EuGH vor.

EuGH betont angemessene Fristen für schwangere Arbeitnehmerinnen

Der EuGH betonte, dass schwangeren Arbeitnehmerinnen eine angemessene Frist eingeräumt werden müsse, um ihre Kündigung vor Gericht anzufechten. Die Zwei-Wochen-Frist für den Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage erschien dem Gericht zu kurz (Urteil vom 27.06.2024 – C-284/23).

Vergleich der Fristen

Wenn eine Arbeitnehmerin bei ihrer Kündigung von der Schwangerschaft weiß, hat sie drei Wochen Zeit, um Klage zu erheben. Erfährt sie jedoch erst nach Ablauf dieser Frist von ihrer Schwangerschaft aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, bleiben ihr nur zwei Wochen. Diese kurze Frist sei im Vergleich zur regulären Drei-Wochen-Frist möglicherweise unvereinbar mit der EU-Richtlinie.

Herausforderungen für schwangere Arbeitnehmerinnen

Die verkürzte Frist könnte es schwangeren Arbeitnehmerinnen erschweren, rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen und die notwendigen Anträge einzureichen. Das ArbG muss nun prüfen, ob diese Frist tatsächlich eine unangemessene Hürde darstellt.

Rechtsanwalt Müller-Benz, hilft ihnen als Fachanwalt für Arbeitsrecht in Freiburg bei Fragen rund das Arbeitsrecht weiter.

Cannabis im Straßenverkehr?!

Entgegen zum Teil vertretener Meinungen, ändert die zum 01.04.2024 teilweise erfolgte Legalisierung von Cannabis nichts daran, dass man im Falle des „bekifften“ Führens eines Kfz weiterhin seine Fahrerlaubnis riskiert und mit einem Bußgeld oder – je nach Lage des konkreten Falles – mit einer Geldstrafe zu rechnen hat.

Gemäß § 24a Abs. 2 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Cannabis ist in der Anlage zu dem Gesetz ausdrücklich genannt, die hierfür relevanten Grenzwerte – anders als bei Alkohol mit 0,5 Promille – hingegen nicht. Dies soll sich künftig ändern.

Bislang wurde der Grenzwert für Cannabis von der Rechtsprechung festgelegt, wonach ab 1,0 Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum (ng/ml) der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit begeht. Gegenwärtig wird im Bundestag der Vorschlag kontrovers diskutiert, diesen Grenzwert auf 3,5 ng/ml anzuheben.

Welche Menge das beim Konsum bedeutet, ist – ebenso wie bei Alkohol – nicht exakt bestimmbar. Es kann demzufolge niemals genau beantwortet werden, wann das Autofahren nach dem Kiffen wieder sicher bzw. erlaubt ist, da dies letztlich von individuellen Faktoren und insbesondere davon abhängt, wie oft und in welchen Mengen Cannabis konsumiert wird. So müssen regelmäßige Konsumenten beispielsweise sogar mit einer Nachweiszeit von drei Monaten oder mehr rechnen, um nach erfolgtem Cannabis-Konsum bei anschließendem Autofahren eine Sanktionierung zu umgehen.

Rechtsanwalt Michael Thoman, Fachanwalt für Verkehrsrecht mit weiterem Tätigkeitsschwerpunkt im Bau- und Immobilienrecht

Kein Räumungsanspruch trotz wirksamer Eigenbedarfskündigung?

Die Hürden, die ein Vermieter überwinden muss, um ein Mietverhältnis zu kündigen und im Bedarfsfalle die Räumung und Herausgabe der Mietwohnung gerichtlich durchsetzen zu lassen, steigen immer weiter. So verlängerte das LG Berlin mit Urteil vom 25.01.2024 (67 S 264/22) ein wirksam wegen Eigenbedarfs gekündigtes Mietverhältnis um zwei Jahre.

Mieter können gegen eine Vermieterkündigung einwenden, dass „angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen“ nicht beschafft werden kann und damit einen besonderen Härtefall begründen. Das Mietverhältnis kann dann auf bestimmte oder sogar unbestimmte Zeit fortgesetzt werden. Die Zumutbarkeit soll nach Einschätzung des LG Berlin vom örtlichen Wohnungsmarkt sowie den persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des Mieters abhängen. Ist der örtliche Wohnungsmarkt angespannt und hat der Mieter aufgrund seiner Verhältnisse keine realistische Chance eine neue Wohnung anzumieten, so soll er sich -selbst wenn er sich kaum um Ersatzwohnraum bemüht hat- auf das Vorliegen eines Härtefalls berufen können. Der Mieter soll nach Einschätzung des LG Berlin auch nicht verpflichtet sein, seine Wohnungssuche auf das gesamte Gemeindegebiet zu erstrecken. Einzig wenn der Mieter die Anmietung einer vom Vermieter oder Dritten konkret angebotenen und zumutbaren Ersatzwohnung abgelehnt hat, soll ein Härtefall nicht mehr angenommen werden können. Müssen Mieter mit schwierigerem Background in Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt zukünftig also auch keine (wirksame) Eigenbedarfskündigung mehr fürchten?

Rechtsanwältin Isabelle Staiger, Tätigkeitsschwerpunkt im Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Wie ist der Wert meiner Immobilie im Falle der Schenkung oder Erbschaft?

Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen (auch Teileigentum) werden nach dem Vergleichswertverfahren bewertet. Wenn in der Gemeinde/Stadt der Gutachterausschuss solche Vergleichswerte ermittelt hat, geht das Finanzamt von der Richtigkeit aus.

Mehrfamilienhäuser, Geschäftsgrundstücke oder gemischt genutzte Grundstücke werden nach dem Ertragswertverfahren bewertet.

Anders als beim Vergleichswertverfahren werden Bodenwert und Ertragswert addiert und verschiedenen weiteren Berechnungsfaktoren unterworfen.

Nur im Ausnahmefall kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung.

Die Vereinbarung von Nießbrauch oder Wohnrecht für den Übergeber im Fall der Schenkung reduziert den Wert wiederum.

Die Berechnungen sind schwierig und selten völlig eindeutig. Bei Schenkungsverträgen oder Testamenten/Erbverträgen ist eine vorherige, genaue Planung und vorsichtige Berechnung erforderlich, damit Freibeträge genutzt und Schenkung-/Erbschaftsteuer vermieden oder minimiert werden kann. Nachträglich können die Werte nur noch durch Sachverständigengutachten überprüft und eventuell korrigiert werden.

RA Andreas Schnitzler, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Erbrecht

Blitzer-App in Deutschland – „Beifahrer-Trick“ erlaubt?

Spätestens seit einer im Jahr 2019 eingeführten Ergänzung des § 23 Abs. 1c Satz 3 StVO, ist die Nutzung sogenannter Blitzer-Apps einem Fahrzeugführer während der Fahrt untersagt. Wer hiergegen verstößt, riskiert 75 € Geldbuße zzgl. Gebühren und Auslagen sowie einen Punkt im Fahreignungsregister.

Kreative Fahrzeugführer kommen zuweilen auf die Idee, die App nicht selbst, sondern durch einen Bei- bzw. Mitfahrer nutzen zu lassen, der den Fahrer auf diese Weise rechtzeitig warnen kann. So auch ein 64-jähriger Fahrer aus dem Rhein-Neckar-Kreis, der im Januar 2022 mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit in Heidelberg unterwegs war. Als die Beamten ihn kontrollierten, hat er das in der Mittelkonsole abgelegte Smartphone seiner Beifahrerin bewusst zur Seite geschoben.


Mit der Frage, ob die Nutzung einer Blitzer-App durch einen Mitfahrer gestattet ist, hat sich der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Karlsruhe mit Beschluss vom 07.02.2023 (2 ORbs 35 Ss 9/23) dezidiert auseinandergesetzt und entschieden, dass ein Autofahrer selbst dann eine Ordnungswidrigkeit begehe, wenn ein anderer Fahrzeuginsasse mit Billigung des Fahrers eine App verwendet, die vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen warnt. Das OLG bestätigt damit die vorangegangene Entscheidung des Amtsgerichts Heidelberg, gegen welche der Fahrer Rechtsbeschwerde erhob.

Folglich stellt sich die Frage, ob Blitzer-Apps generell untersagt sind. Dem Fahrer ist es jedoch lediglich während der Fahrt verboten, ein Blitzer-Warngerät zu nutzen. Wer sich hingegen vor Fahrtantritt oder während einer Pause auf einem Parkplatz – im stehenden Fahrzeug, dessen Motor ausgeschaltet ist – über die Geschwindigkeitskontrollen kundig macht, hat kein Bußgeld zu erwarten, vorausgesetzt, das Gerät wird vor Fahrtantritt wieder deaktiviert.

Rechtsanwalt Michael Thoman, Fachanwalt für Verkehrsrecht mit weiterem Tätigkeitsschwerpunkt im Bau- und Immobilienrecht