21. April 2023

„Rechts vor links“ auf öffentlichen Parkplätzen?!

Nicht nur die verkehrsanwaltliche Praxis, sondern auch alltägliche Beobachtungen des Verfassers belegen immer wieder aufs Neue eindrücklich, dass unter Verkehrsteilnehmern zuweilen eine gewisse Unsicherheit zu herrschen scheint, ob die sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ergebende Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gleichermaßen auf öffentlichen Parkplätzen Anwendung findet.  

Hierzu hat sich der BGH mit Urteil vom 22.11.2022 (AZ.: VI ZR 344/21) deutlich positioniert und hervorgehoben, dass diese Vorfahrtsregel ohne ausdrückliche Vorfahrtenregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung finde, es sei denn, die vorhandenen Fahrspuren weisen einen eindeutigen Straßencharakter auf. Ob einer Fahrspur Straßencharakter zukommt, wird danach beurteilt, ob die baulichen Verhältnisse für den Verkehrsteilnehmer vertraute typische Straßenmerkmale erkennen lassen. Entscheidende Merkmale für das Vorliegen einer Straße seien etwa Markierungen auf der Fahrbahn, Bordsteine oder das Fehlen von Parkboxen entlang der Fahrbahn.

Zur Begründung führt der BGH u.a. aus, dass ein öffentlicher Parkplatz als Ganzes betrachtet keine Straße, sondern eine Verkehrsfläche darstelle, die grundsätzlich in jeder Richtung befahren werden darf. Parkflächenmarkierungen vermögen hieran nichts zu ändern. Die auf Parkplätzen vorhandenen Fahrspuren dienen typischerweise nicht der möglichst zügigen Abwicklung des fließenden Verkehrs, vielmehr gehe es um die Erschließung der Parkmöglichkeiten durch Eröffnung von Rangierräumen und der Ermöglichung von Be- und Entladevorgängen. Zudem werden die Fahrbahnen regelmäßig sowohl von Kraftfahrern als auch Fußgängern genutzt.

Auf Parkplätzen von Supermärkten, Bauhäusern oder solchen von Kommunen sollte daher bei der Einfahrt stets darauf geachtet werden, ob ein Hinweis zur Vorfahrtsregelung (z.B. „hier gilt die StVO“) vorhanden ist. Falls nicht, können sich von rechts kommende Autofahrer bei einem Unfall nicht auf „rechts vor links“ berufen.

Rechtsanwalt Michael Thoman, Fachanwalt für Verkehrsrecht mit weiterem Tätigkeitsschwerpunkt im Bau- und Immobilienrecht