9. August 2018

Behandlungsfehler bei Behandlungsablehnung?

In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatten Ärzte eine Fraktur des linken Schien- und Wadenbeins eines 10-jährigen Jungen zu versorgen. Es standen zwei Behandlungsalternativen zur Wahl: Die geschlossene Reposition mit Anlage eines Oberschenkelgipsverband und die offene Operation zur Bruchversorgung. Die Mutter des jungen Patienten lehnte eine Operation ab, weshalb es zur geschlossenen Reposition des Bruches kam. Diese war nicht erfolgreich, die Frakturteile haben sich verschoben.

Weil sich die Mutter gegen eine vom Chefarzt empfohlene offene Bruchversorgung ausgesprochen hat, stellte sich die Frage, ob in der durchgeführten geschlossenen Reposition – die der Assistenzarzt als ausreichend angesehen hatte – überhaupt einen Behandlungsfehler liegen könne.

Nunmehr hat der Bundesgerichtshof erneut entschieden, dass im Falle einer Weigerung des Patienten eine gebotene ärztliche Behandlung durchzuführen, nur dann ein Behandlungsfehler ausgeschlossen werden kann, wenn dem Patienten klar und widerspruchsfrei von Seiten des Arztes mitgeteilt wird, welche gesundheitlichen Folgen eintreten können, wenn der Patient die Behandlung verweigert oder abbricht. Im vorliegenden Fall haben sich die Empfehlungen des Assistenzarztes (geschlossene Reposition) und des Chefarztes (offene Frakturversorgung) widersprochen. In dieser widersprüchlichen Wertung des medizinischen Sachverhalts durch die behandelnden Ärzte hat die Behandlungsablehnung der Mutter (sie hat die Operation auf Empfehlung des Chefarztes abgelehnt) nicht zur Folge, dass Arzthaftungsansprüche nicht bestehen (BGH Beschluss vom 15.05.2018 – VI ZR 287/17).

– Dr. Burkhardt –
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Medizinrecht